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Die vier Phasen der Trauer
Vier Phasen, die zu einem typischen Trauerprozeß gehören und von den meisten Trauernden - wenngleich unterschiedlich in Dauer und Intensität - durchlaufen werden, sollen hier nachgezeichnet werden:
Die erste Phase: Die Anfangsphase der Trauer
Die erste Traueraufgabe besteht darin, es als Realität anzuerkennen, dass der Betreffende tot ist und nicht zurückkehrt. Sie richtet sich gegen das Nicht-Wahrhaben-Wollen in all seinen Varianten. Dazu gehören beispielsweise Illusionen, Halluzinationen und das Suchverhalten.
In der Anfangsphase begegnet uns die Trauer oft wie ein Schock. Menschen, die durch den Tod eines nahe stehenden Menschen einen schweren Verlust erlitten haben, schildern ihren Zustand oft mit Ausdrücken wie „erstarrt", „unter einem Schock stehend" und „betäubt". Diese Art Reaktion steht zum Teil im Dienst des Selbstschutzes. Sie gehört zu der Art und Weise, wie wir mit einer größeren Veränderung in unserem Leben fertig zu werden versuchen. Zunächst neigen wir dazu, sie auszublenden, doch dann akzeptieren wir die Tatsache allmählich, das heißt in Schritten, die für uns nicht zu groß sind. Häufig folgt tiefe Traurigkeit auf den Schock. In dieser Phase werden Sie vermutlich viel weinen oder das Gefühl haben, jedes Mal wenn der Name des Verstorbenen erwähnt wird oder irgendeine Erinnerung an ihn aufsteigt, in Tränen ausbrechen zu müssen. Wie häufig ein Trauernder weint, ist von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich - es gibt kein „richtiges" Maß. Entscheidend ist die Tiefe Ihrer Gefühle und die Art und Weise, wie Sie Ihre Gefühle normalerweise frei ausdrücken und ob Ihnen die Tränen leicht kommen. Wenn Ihnen zum Weinen zumute ist, dann sollten Sie das auch tun. Wenn Ihnen jedoch öffentliche und vielleicht sogar private Gefühlsäußerungen seit jeher ein Greuel oder peinlich gewesen sind, so werden Sie sich nicht über Nacht verändern, und das sollten Sie auch nicht. Ihr Zustand ist gekennzeichnet durch Schlaf- und Ruhelosigkeit sowie durch intensive Beschäftigung mit dem Verstorbenen. In dieser Phase finden sich auch Zorn und Aggression. Diese Affekte richten sich einerseits gegen diejenigen, denen Sie die Schuld an dem Verlust geben. Gleichzeitig sind sie auch eine Reaktion auf die Enttäuschungen, mit der die für diese Phase ebenfalls charakteristische rastlose Suche stets endet. Hinter all diesen Reaktionen verbirgt sich eine tiefe Traurigkeit, die darin gründet, dass Sie nur rational, nicht aber gefühlsmäßig einsehen, dass die ersehnte Wiedervereinigung mit dem Toten unmöglich ist.
Einige Probleme ergeben sich, weil andere Menschen Ihnen sagen, wie Sie sich verhalten sollen. Angehörige und Freunde finden vielleicht, Sie müssten „tapfer" sein. Mancher Trauernde glaubt, er müsse tapfer sein, weil das der Verstorbene gewünscht hätte. Manchmal bittet der Sterbende auch ausdrücklich darum: „Weine nicht - du musst tapfer bleiben!" Machen Sie sich bewusst, dass Weinen nicht das Gegenteil von Tapfersein bedeutet! Sie können weinen und trotzdem tapfer sein, wenn Sie ihre Tränen zulassen und sich die Tiefe Ihres Schmerzes eingestehen. Wenn Sie das ganze Ausmaß Ihres Schmerzes und Ihres Leids nicht anerkennen, werden Sie Ihre Stärke wahrscheinlich nicht zurückgewinnen! Achten Sie daher in dieser Anfangsphase auf den Schmerz, den Sie empfinden, und drücken Sie ihn so aus, wie Sie das normalerweise tun würden. Erleichtern Sie Ihren Gefühlszustand! In der Anfangsphase des Trauerns ist es sehr wohl möglich, dass Sie körperliche Symptome entwickeln. Es kann sein, dass Sie an Symptomen leiden, die für Angst und Kummer typisch sind: Übelkeit, Schmerzen in der Brust oder im Hals, Atembeschwerden oder allgemeine Beschwerden. Es hilft zu wissen, dass solche Symptome auftreten können, so dass Sie nicht zu denken brauchen, es stoße Ihnen erneut etwas Schreckliches zu.
So bitter und selbstzerstörerisch der „symbolische Tod" für Sie auf den ersten Blick auch erscheint, so ist er doch auch Ausdruck Ihres Lebenswillens. In Wirklichkeit nämlich wehren Sie sich gegen den Wunsch, dem Verstorbenen „nachzusterben". Die Krankheit erscheint als symbolische Handlung, die an Stelle des eigenen Schmerzes tritt. Daneben kann die Erkrankung aber auch Ausdruck einer „Flucht" sein. Sie fliehen sich in das körperliche Leiden, um sich den Anforderungen der neuen Lebenssituation nicht stellen zu müssen oder, um von der Umwelt mehr Zuwendung zu erfahren. Wenn Sie solche Symptome entwickeln, so sollten Sie daran denken, dass dies häufig vorkommt und nicht zu bedeuten hat, dass Sie den Verstand verlieren!
Die zweite Phase: Die mittlere Phase der Trauer
Die mittlere Phase der Trauer ist jene Phase, in der Ihnen allmählich bewusst wird, dass Ihr Leben nach dem Tod Ihres Freundes oder Angehörigen weitergeht, auch wenn Sie nicht wissen wie. Diese Phase kann einige Wochen nach dem Todesfall einsetzen, doch wenn sie bereits viel Trauer im voraus durchgestanden haben, kann sie auch früher beginnen.
Der Schock und das Gefühl des Betäubtseins lassen in dieser Phase allmählich nach, und das Leben gewinnt wieder etwas an Normalität zurück. In Wirklichkeit führt diese „Rückkehr zur Normalität" häufig selbst zu Problemen. Sobald nämlich Ihre Freunde und die Menschen, die Ihnen beistanden und die sich unmittelbar nach dem schmerzlichen Verlust um Sie kümmerten und sorgten, merken, dass Sie Ihr Leben wieder in die Hand nehmen, ziehen sie sich unter Umständen zurück und wenden sich wieder ihrem eigenen Leben zu. Sie gehen davon aus, dass „es Ihnen nun wieder gut geht". Sie mögen zwar aussehen, als ginge es Ihnen gut, können in Wirklichkeit jedoch weit davon entfernt sein. Sie führen womöglich die normalen Handlungen eines normalen Menschen aus, aber innerlich sind Sie kein normaler Mensch. Dies ist ein weitverbreitetes Phänomen. Das Gefühl, „nicht normal zu sein", ist in der Tat in dieser Phase der Trauer normal. Es ist keine leichte Aufgabe für Sie, sich darauf einzustellen, Ihr Leben zu leben, das heißt ohne den Verstorbenen. Das braucht Zeit! In dieser Zeit können Ihre Gefühle und Ihr Verhalten nicht dieselben sein wie vor dem schmerzhaften Verlust. Studien haben ergeben, dass die mittlere Phase der Trauer häufig die schwierigste ist. Es hat sich gezeigt, dass der Hinterbliebene noch etwa sechs Monate nach dem Verlust traurig und deprimiert sein kann, obwohl seine Freunde und Angehörigen zum Schluss gekommen sind, er habe das Schlimmste nun überstanden. Wenn Sie den Eindruck haben, das treffe auch in Ihrem Fall zu, so sollten Sie Ihren Freunden mitteilen, wie Sie sich fühlen und gegebenenfalls um etwas mehr Unterstützung bitten. Es kann sogar sein, dass Sie die Hilfe eines Fachmanns, eines Psychotherapeuten, in Anspruch nehmen müssen, falls es mit der Zeit nicht besser wird. Dass Sie vielleicht dazu gedrängt werden, wieder zur Normalität zurückzukehren, ist nicht das einzige Problem, das sich Ihnen in dieser Phase stellt. Häufig laufen noch andere Prozesse ab, die Sie stark belasten. Es kann sein, dass Sie gewisse Aspekte der Vergangenheit in Frage stellen. Trauernde Menschen stellen sich häufig Fragen, die sehr schmerzlich sind. In der Mehrheit der Fälle gibt es zudem keine Antwort auf solche Fragen. Natürlich können Sie die Fragen nicht einfach ignorieren und diese Gedanken verscheuchen. Sie können sie genauso wenig vergessen wie Zahnschmerzen oder Kopfweh. Die Fragen sind da und vermutlich quälend und beanspruchen einen großen Teil Ihrer Gedanken, vielleicht auch Ihrer Träume und Ihrer Zeit. Sie müssen sich bewusst sein, dass die meisten Trauernden dasselbe durchmachen. Auf die meisten Fragen gibt es keine Antwort und der Schmerz und die Sorgen, die sie Ihnen verursachen, lassen nach, wenn sich die Trauer auflöst.
Die dritte Phase: Die Phase der Auflösung
Bei den meisten Menschen löst sich die Trauer nach einer gewissen Zeit auf. Die abschließende Traueraufgabe besteht darin, sich von dem Verstorbenen gefühlsmäßig abzulösen; die so frei werdende Energie kann dann in eine neue Beziehung investiert werden. Sie können nun wieder einen anderen Menschen lieben, ohne dass die Liebe zu dem Verstorbenen dadurch zerstört sein müsste, zumal dieser trotz allem unersetzbar bleibt. Die Trauer hat sich aufgelöst, sobald Sie in der Lage sind, sich mit Liebe und Freude an den Verstorbenen zu erinnern und sich die schönen Augenblicke ins Gedächtnis rufen können, ohne heftigen Schmerz und Kummer. Die Auflösung der Trauer hat mit dem Gefühl des „Wieder-Ganz-seins" zu tun, damit, dass Sie wieder ein selbständiges Leben führen - obwohl es nicht dasselbe Leben ist wie vor dem Verlust. Natürlich tauchen während der Phase der Auflösung Probleme auf. Es kann sein, dass einige Angehörige und Außenstehende das Gefühl haben. Sie sollten in dieser Phase nicht mit anderen Menschen ausgehen (falls die verstorbene Person Ihr Ehepartner gewesen ist). „Es ist zu früh!" oder „Es ist, als hätte es ihn nie gegeben!", sind Bemerkungen, die jemanden, der sich in der Phase der Auflösung der Trauer befindet und langsam wieder in die Welt der Wirklichkeit zurückkehrt, sehr verletzen können. Trauer kann einerseits in gewissem Sinne ein Ende finden und hört doch in bestimmter Hinsicht nie auf. Grundsätzlich endet Trauer jedoch dann, wenn die Trauerphasen durchlaufen, beziehungsweise die Traueraufgaben bewältigt sind. Es kann keine Aussage darüber gemacht werden, wie lange die Phase der Auflösung dauert. Es kommt nicht darauf an, ob die Trauer sich nach drei Monaten oder erst nach zwei Jahren auflöst - es ist der Prozess, auf den es ankommt. Was wesentlich ist: Es ist Ihr Zeitplan, nicht der Ihrer Angehörigen oder Freunde! Sie allein wissen um die Tiefe Ihrer Gefühle und um die Tiefe Ihrer Trauer. Wie gut andere Menschen es auch meinen mögen, ihr Zeitplan ist nicht gleichzeitig der Ihrige! Lassen Sie sich die nötige Zeit, die Sie für die Bewältigung Ihres Trauerfalls brauchen!
Die vierte Phase: Ende der Trauer
Ohne, dass der Verstorbene nun vergessen wäre, haben Sie den schweren Verlust akzeptiert, alte, auf den Verstorbenen bezogene Verhaltensmuster wurden langsam aufgegeben. Sie sind in der Lage, neue Beziehungen einzugehen, beziehungsweise neue Aktivitäten zu erschließen, wobei jedoch die Beziehung zum Verstorbenen bleibend in die Persönlichkeit eingebunden ist. In den verschiedenen Trauerphasen haben Sie den verlorenen Menschen in Ihr „Inneres" aufgenommen, haben eine neue Position zu dem Verstorbenen bezogen. Damit haben sich Ihnen neue Lebensmuster sowie Entfaltungs- und Beziehungsmöglichkeiten eröffnet. Sie können und werden Ihr Leben nun wieder in die Hand nehmen und müssen sich nicht fürchten, neue Wege zu beschreiten.
Jedoch gibt es auch Menschen, bei denen die Trauer nicht ihren normalen Verlauf nimmt. Sie bleiben sozusagen „auf halbem Wege" stecken. Man bezeichnet die Trauer, die nicht normal verläuft und nicht den Abschluss eines Heilungsprozesses darstellt, als „pathologische Trauer". Statt von pathologischer Trauer kann auch von problematischer, komplizierter oder unbewältigter Trauer gesprochen werden. Pathologische Trauerreaktionen stellen im Vergleich zu normalen Trauerreaktionen grundsätzlich kein vollkommen anderes Verhalten dar. Sie unterscheiden sich von diesen nur durch ihre starke Intensität und ihre lange Dauer. Eine chronische Trauerreaktion ist von übermäßig langer Dauer, beziehungsweise kommt zu keinem befriedigenden Abschluss. Trauer ist zwar individuell, so dass sich ein Aufdrängen von Zeitnormen verbietet. Dennoch ist es problematisch, wenn sich kein Fortschritt im Verlauf der Trauer zeigt. Diese Art Trauer kann aber zu einem schwerwiegenden Problem werden. Wie können Sie nun herausfinden, ob Sie sich in einem langsamen Prozess normaler Trauer befinden oder ob Ihre Trauer blockiert ist und Sie pathologische Trauer empfinden? Überlegen Sie, ob Sie innerhalb einer bestimmten Zeitspanne Veränderungen in Ihrem Verhalten feststellen können. Achten Sie auf den Schmerz, den Sie empfinden, wenn Sie sich an den Verstorbenen erinnern, wenn sein Name plötzlich fällt, wenn Sie jemanden mit demselben Namen begegnen oder einen Ort aufsuchen, der für Sie beide eine besondere Bedeutung hatte. Beobachten Sie, wie Sie mit neuen Bekanntschaften und Freundschaften zurechtkommen, wie viel Zeit Sie mit Weinen verbringen und wie gut Ihr Schlaf ist. Denken Sie über Ihre Träume nach und die Gefühle, die in diesen Träumen aufsteigen. Beobachten Sie, wie oft Sie sich die letzten Augenblicke im Leben des Verstorbenen ins Gedächtnis rufen und noch einmal erleben. Versuchen Sie herauszufinden, ob der Schmerz nachlässt - nicht Tag um Tag oder Woche um Woche, sondern über Monate hinweg. Fühlen Sie sich heute besser als vor einem Jahr? Wenn Sie keinerlei Fortschritte feststellen können, wenn alles, was Sie vor sechs Monaten schmerzte, jetzt noch genauso und mit derselben Intensität weh tut, wenn Sie die Ereignisse der letzten Tage im Leben des Verstorbenen immer noch dauernd durchgehen, dann ist Ihre Trauer blockiert. Womöglich zeigt sich bei Ihnen auch eine verzögerte Trauerreaktion auf. Zu einer verzögerten Trauerreaktion kommt es, wenn zum Zeitpunkt des Verlustes eine nur unzureichende Gefühlsreaktion stattgefunden hat. Bei einem weiteren Verlusterlebnis zeigt sich dann eine sehr intensive Trauerreaktion, weil dieses auch die mitgeschleppte unverarbeitete Trauer aktiviert. Als ein derartiger Auslöser ist jedoch genauso das Verlusterlebnis eines anderen Menschen denkbar, aber auch die Betrachtung eines traurigen Filmes. Die entsprechende Trauerreaktion wird dabei von Ihnen selbst als übertrieben empfunden. Bei der übertriebenen Trauerreaktion ist Ihnen zwar der Zusammenhang mit dem Verlusterlebnis bewusst, doch erweist sich die Trauer als so lähmend und exzessiv, dass Sie professionelle Hilfe aufsuchen müssen. Typisch sind zudem sehr starke Angstreaktionen bis zur Thanato-phobie, das heißt der krankhaften Furcht vor dem Tode sowie das andauernde Gefühl der Verzweiflung, ohne den Verstorbenen nicht leben zu können. Unter Umständen kann es auch zu einer sogenannten „larvierten", also einer unter einer Larve versteckten Trauerreaktion kommen. Darunter versteht man die Verkleidung von verdrängter Trauer durch eine meist körperliche Symptomatik, das heißt die verdrängte Trauer wandelt sich in ein körperliches Krankheitssymptom um und drückt sich auf diese Weise aus. Im Einzelnen zeigen sich etwa Symptome, die denen des Verstorbenen ähneln, aber auch psychosomatische Krankheitsbilder, wie Herz-Kreislauferkrankungen oder Schmerzzustände. Sie sollten sich dann womöglich an einen Fachmann, einen Psychotherapeuten wenden. Vielleicht kann Ihnen auch eine Selbsthilfegruppe helfen. Ein weiteres Anzeichen für blockierte Trauer ist das Unvermögen, sich weiterzuentwickeln, weiterzuwachsen. Es lohnt sich, ernsthaft über dieses Problem nachzudenken! Angemessen trauern heißt, in der Lage zu sein, nach der Trauerzeit sein eigenes Leben zu führen und nicht täglich eine Wiederholung dessen zu inszenieren, was vorher war.
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