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Die Münzen und Medaillen vom „Verein für Feuerbestattung zu Meißen“
Eine Übersicht der gefertigten Münzen und Medaillen, welche aus Böttgersteinzeug® und Biskuitporzellan, nach Entwürfen von Prof. Emil Paul Börner aus der Porzellanmanufaktur in Meißen, in den Jahren 1921 bis 1925 gefertigt wurden.
Der Verein
Im Jahre 1911 erfolgte der Aufruf zur Gründung eines Feuerbestattungsvereins durch drei Meißner Bürger, dem damaligen Stadtrat Herrn Dr. Goldfriedrich, dem Hauptmann Werner Rottka und dem Drogisten Georg Wiedel. Ziel sollte es sein, auch in der Stadt Meißen, die Idee der Feuerbestattung in breiten Volkskreisen zu verankern. Außerdem wollte man den Bau eines eigenen Krematoriums in Meißen anstreben sowie den Mitgliedern vom Verein Zuschüsse zu den Bestattungskosten garantieren. Die Gründung des Feuerbestattungsvereins „Ver-ein für Feuerbestattung zu Meißen V.V.a.G“. (V.V.a.G.= Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) fand dann am 23.10.1911 im Hamburger Hof, in Meißen, mit 80 Anhängern der Idee statt. Dabei war die zu erwartende Bestattungskostenbeihilfe nach dem Versicherungsprinzip aufgebaut. Bereits 1912 zählte der Verein 166 Mitglieder die anfangs ständig zunahmen. Im Laufe des Ersten Weltkrieges kam allerdings das Vereinsleben fast zum Erliegen. An den Erwerb eines Grundstücks sowie den Bau eines Krematoriums, war vorerst nicht zu denken.
Erst in der Weimarer Republik, im Jahre 1920 kam es wieder zu Verhandlungen über den Bau eines Krematoriums in Meißen. Mit Hilfe der Herausgabe einer Spendenmünze, gefertigt in der Porzellanmanufaktur Meißen, wollte man sich entsprechenden finanziellen Spielraum schaffen.
Spendenmünze und Medaille
In der Porzellanmanufaktur Meißen war durch die anhaltende Knappheit von Metallgeld um 1920, ein völlig neues Produkt geschaffen worden, welches auch große Beachtung fand und sogar vor dem damaligen Reichstag diskutiert wurde. Das Porzellangeld. Obwohl es sich als „Notgeld“ in Münzenform für das Deutsche Reich dann doch nicht durchsetzen konnte, gab es Münzen aus Böttgersteinzeug® (nachfolgend Steinzeug) und Biskuitporzellan in vielen deutschen Städten und im Lande Sachsen. Neben Notgeld wurden natürlich auch Plaketten und Medaillen hergestellt. Im Gebäude, das im Manufakturjargon noch heute als „Rote Münze“ bezeichnet wird, fand man für das Anliegen des Feuerbestattungsvereins ein offenes Ohr. Hier arbeiteten große Künstler und diese brachten ihre genialen Ideen und Entwürfe auf die Größe einer Münze. Einer aus dieser Zeit war Emil Paul Börner (1888-1970), der sich dieser Aufgabe annahm und die beiden Motivseiten entwarf.
Zunächst sollte noch die Wertangabe von „20 M“ (für Mark) unten auf der Vorderseite erscheinen und damit den geplanten Verkaufspreis benennen. Später wurde darauf verzichtet und dabei wurde das Motiv auf der Vorderseite noch geändert, die Rückseite mit dem Phönix blieb dagegen unverändert. Es gibt zahlreiche Material- und Farbvarianten, welche hier zur Übersicht aufgeführt werden sollen. Alle unten aufgeführten Stücke tragen kein Prägejahr, wurden aber im Jahre 1921 hergestellt.
Feuerbestattungsverein Meißen
Nr. 1 (Scheuch Nr. 374).
Ohne Jahresangabe (Herstellungsjahr 1921), mit Wertangabe „20 M“ unten, Gipsform (Handform), Steinzeug (braun) = 42 mm Ø, Biskuitporzellan (weiß) = 40 mm Ø. Das Stück trägt auf beiden Seiten einen Perlrand.
Beschreibung Vorderseite: In dem von gebogenen Doppellinien gebildeten rhombusförmigen Sechseck, welches auch als Sarg gedeutet wird, sind die oberen und unteren Ecken nach innen verziert. Im Sechseck befindet sich eine Urne mit lodernder Flamme, links und rechts je ein Kreuz mit je zwei diagonalen Strahlen und die aufrechtstehenden Kurschwerter. Umschrift: FEUERBESTATTUNGSVEREIN MEISSEN und darunter 20 M.
Beschreibung Rückseite: Ein aus der Flamme aufsteigender Phönix mit dem Kopf nach links. Um das Motiv herum abwechselnd acht fünfstrahlige Sterne, die zum Teil radial ausgerichtet sind und acht kleine Urnen mit Flamme.
Vorkommende Farbdekore bei beiden Materialvarianten, VS
- Ohne Farbdekor
- Rand vergoldet
- Flamme Gold
- Rand und Urne mit Flamme Gold
- Grau
- Grau und der Rand Gold
- Grau und Urne sowie Flamme Gold
Vorkommende Farbdekore bei beiden Materialvarianten, RS
- Ohne Farbdekor
- Rand vergoldet
- Flammen Gold
- Rand und kleine Urnen mit Flamme Gold
- Grau
- Grau und der Rand Gold
- Grau und kleine Urnen sowie Flamme Gold
Karl Scheuch gibt in seinen Publikationen die Variante Grau stets als Dekor an und spricht dabei nie von einer Farbvariante der Keramik. Obwohl man damals auch schon andere Farben für den Scherben einsetzen konnte, verwendete man mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließlich Steinzeug oder Biskuitporzellan für diese Stücke. Die graue Farbe wurde vermutlich erst später als Farbdekor aufgebracht. Da solche grauen Stücke sehr selten sind, konnte bisher keine Prüfung erfolgen. Um die Frage zu klären, ob unter der grauen Farbschicht nun braunes Steinzeug oder Biskuitporzellan verwendet wurde, ist weitere Forschungsarbeit nötig.
Nr. 2 (Scheuch Nr. 375).
Ohne Jahresangabe (Herstellungsjahr 1921), mit Wertangabe „20 M“ unten, Gipsform (Handform), Steinzeug (braun) = 42 mm Ø, Biskuitporzellan (weiß) = 40 mm Ø. Das Stück trägt auf beiden Seiten einen Perlrand.
Beschreibung Vorderseite: In dem von gebogenen Doppellinien gebildeten rhombusförmigen Sechseck, welches auch als Sarg gedeutet wird, sind die oberen und unteren Ecken nach innen verziert. Im Sechseck befindet sich eine Urne mit lodernder Flamme, links und rechts je ein achtstrahliger Stern und die aufrechtstehenden Kurschwerter. Umschrift: FEUERBE-STATTUNGSVEREIN MEISSEN und darunter 20 M.
Beschreibung Rückseite: Wie bei Nr. 1.
Vorkommende Farbdekore bei beiden Materialvarianten, VS
- Ohne Farbdekor
- Rand vergoldet
- Flamme Gold
- Rand und Urne mit Flamme Gold
- Rand grün
- Grau
- Grau und der Rand Gold
Vorkommende Farbdekore bei beiden Materialvarianten, RS
- Ohne Farbdekor
- Rand vergoldet
- Flamme Gold
- Rand und Urne mit Flamme Gold
- Grau
- Grau und der Rand Gold
Nr. 3 (Scheuch Nr. 376).
Ohne Jahresangabe (Herstellungsjahr 1921), mit Wertangabe „20 M“ unten, Gipsform (Handform), Steinzeug (braun) = 42 mm Ø. Das Stück trägt auf beiden Seiten einen Perlrand.
Beschreibung Vorderseite: Wie bei Nr. 2, jedoch sind die beiden achtstrahligen Sterne kleiner und nun nur noch 5 mm hoch.
Beschreibung Rückseite: Wie bei Nr. 1.
Über vorkommende Farbdekore werden zum Stück in der einschlägigen Fachliteratur keine Angaben gemacht.
Nr. 4 (Scheuch Nr. 377).
Ohne Jahresangabe (Herstellungsjahr 1921), nun ohne Wertangabe unten, dafür die Angabe 1911-1921, Stahlstempel, Steinzeug (braun) = 42 mm Ø, Biskuitporzellan (weiß) = 40 mm Ø. Das Stück trägt auf beiden Seiten einen Perlrand.
Beschreibung Vorderseite: In dem von gebogenen Doppellinien gebildeten rhombusförmigen Sechseck, welches auch als Sarg gedeutet wird, sind die oberen und unteren Ecken nach innen verziert. Im Sechseck befindet sich eine Urne mit lodernder Flamme, links und rechts je ein achtstrahliger kleiner Stern und die aufrechtstehenden Kurschwerter. Umschrift: FEUER-BESTATTUNGSVEREIN MEISSEN und 1911-1921.
Beschreibung Rückseite: Wie bei Nr. 1.
Vorkommende Farbdekore bei beiden Materialvarianten Vorderseite:
- Ohne Farbdekor
- Rand vergoldet
- Rand und Urne mit Flamme Gold
- Rand und Urne mit Flamme Gold. Das Sechseck mit den oben und unten nach innen verzierten Ecken Rot
Vorkommende Farbdekore bei beiden Materialvarianten Rückseite:
- Ohne Farbdekor
- Rand vergoldet
- Die acht kleinen Urnen mit Flamme Rot
Orientiert man sich an den auf Münzmärkten und Auktionen angebotenen Stücken, so werden die Nummern 1 bis 3 selten oder gar nicht angeboten. Es handelt sich demnach mit großer Wahrscheinlichkeit um Proben, die nur in sehr geringer Stückzahl hergestellt worden sind und deren Bestand sich ausschließlich in Sammlerhände befindet. Es ist anzunehmen, dass man dabei gerade mit den unterschiedlichen Farbdekoren, dem Feuerbestattungsverein die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigen wollte. Warum man dann aber die Wertangabe weggelassen hat, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.
Die Stücke der Nr. 4, aus braunem Steinzeug und ohne Dekor, sind häufiger anzutreffen. Stücke mit Farbdekor aus Steinzeug sind schon seltener und Stücke aus Biskuitporzellan, egal ob ohne oder mit Farbdekor, äußerst selten. Allein schon die verschiedenen Ausführungsvarianten von den hier aufgeführten vier Stücken, beweist auch die große Mühe, welche man sich in der Porzellanmanufaktur Meißen machte, um den Kunden eine Qualitätsarbeit anzufertigen. Stücke die mit einem Stahlstempel hergestellt wurden sind meist dünner und haben ein schärferes Schriftbild als Münzen aus der Gipsform.
Karl Scheuch und A. van Roosbroeck haben die Nr. 1 bis 3, also die Stücke mit Wertangabe „20 M“, als Spendenmünzen in Ihre Kataloge aufgenommen. Die Stücke der Nr. 4 gelten nicht als Münze, sondern als Medaille, da ohne Wertangabe.
Eine besondere Medaille von 1925
Im Jahre 1925 fand am 28. und 29. März 1925 ein Verbandstag der Sächsischen Feuerbestattungsvereine in Meißen statt. Aus diesem Anlass wurde eine Medaille aus Steinzeug herausgegeben. Sie entstand ebenfalls nach einem Entwurf von Emil Paul Börner.
Verbandstag der Sächsischen Feuerbestattungsvereine
Nr. 5 (Scheuch Nr. 1995)
Medaille von 1925, Stahlstempel, Steinzeug (braun) = 36 mm Ø. Das Stück trägt auf beiden Seiten einen Perlrand.
Beschreibung Vorderseite:
In dem von gebogenen Doppellinien gebildeten rhombusförmigen Sechseck, welches auch als Sarg gedeutet wird, befindet sich eine Urne mit lodernder Flamme, links und rechts je ein achtstrahliger kleiner Stern. Umschrift: VERBANDSTAG SÄCHS. FEUERBESTATTUNGSVEREINE IN MEISSEN AM 28. u 29. III. 1925.
Beschreibung Rückseite: Die beiden Westtürme vom Meißner Dom. Links und rechts je ein achtstrahliger Stern und die Kurschwerter der „Pfeifferzeit“, mit dem Punkt zwischen den Klingenspitzen. Umschrift oben: 1925. Umschrift unten: MEISSEN.
Vorkommende Farbdekore Vorderseite:
- Ohne Dekor
- Rand vergoldet
- Rand vergoldet. Sechseck Urne mit Flamme und die beiden achtstrahligen Sterne vergoldet
Vorkommende Farbdekore Rückseite:
- Ohne Dekor
- Rand vergoldet
Diese Medaille wird ab und zu auf Sammlerbörsen und Auktionen, mit und ohne Farbdekor angeboten. Stücke die mit einem Stahlstempel hergestellt wurden sind meist dünner und haben ein schärferes Schriftbild.
Die weitere Geschichte des Feuerbestattungsverein Meißen
Die noch im Jahre 1921 ausgegebenen Spendenmünzen brachten offenbar nicht den erhofften finanziellen Erfolg. Der Gewinn ging gegen Null. Eine genaue Abrechnung war angeblich nicht möglich und alles blieb damals mysteriös.
Doch das Krematorium wurde gebaut und im Oktober 1930 erfolgte der erste Spatenstich. Am 1. November 1930 war die feierliche Grundsteinlegung für Krematorium und Feierhalle. Am 8.Oktober 1931 wurde das Krematorium geweiht und kurz danach fand die Einweihung des Krematoriums Meißen mit Feierhalle statt. Der Bau des Krematoriums erfolgte somit von 1930 bis 1931, nachdem durch verschiedenste bürokratische Hindernisse der Bau mehrfach unterbrochen wurde. Durch das Reichsversicherungsgesetz aus dem Jahre 1935, wurden die Sterbekassen unter Reichsaufsicht gestellt. Der Feuerbestattungsverein Meißen war auch davon betroffen und es erfolgte damit der Übergang des Vermögens an die Landesversicherungsanstalt Sachsen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb am 10. Mai 1945 von der Stadtverwaltung Meißen beschlagnahmt. Es erfolgte der Übergang der Sterbeversicherungen an die VAS (Versicherungsanstalt Sachsen) und des Krematoriums an die Stadt Meißen. Am 15. November 1945 wurden schließlich in Sachsen alle Versicherungsvereine liquidiert.
Mein besonderer Dank gilt dem Team vom Bestattungswesen Krematorium Meißen, welches mich bei Fragen und Recherchen immer unterstützte und somit erst diesen Artikel möglich machte.
Text: Reiner Graff
Januar 2018
Quellenangaben und Literatur
Karl Scheuch, „Münzen aus Porzellan und Ton“, Nachauflage Gütersloh 1995;
Karl Scheuch, „Medaillen aus Porzellan“, Band IV, Nachauflage Gütersloh 1995;
A. van Roosbroeck, „Die Münzen aus der Staatlichen Porzellan-Manufaktur zu Meissen und aus anderen keramischen Fabriken“, Brüssel 1951;
Betriebsgeschichte Krematorium Städtisches Bestattungswesen Meißen GmbH;
numiscontrol, „Die sächsischen Notmünzen aus Böttgersteinzeug® der Jahre 1920/1921 – ein Produkt der Pfeifferzeit“, M&S 6/2010, Gietl-Verlag Regenstauf.
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